Nandor Angstenberger
Als die Konstruktivisten um 1915 Kunststoff als Material für sich entdeckten, interessierte sie vor allem dessen Geschichtslosigkeit. Die Pop Art favorisierte ihn, weil er sich den traditionellen Forderungen nach handwerklicher Bearbeitung entzog. Mittlerweile ist Kunststoff zum Alltagsmaterial geworden. Wenn Nándor Angstenberger ihn einsetzt, dann ist er aufgeladen mit Bedeutung und wird zum Mittel eines handwerklichen Prozesses. Die Gegenstände, die er aufsammelt sind Devotionalien der Alltagskultur. Kunststoffteile, leere Tablettenhüllen, Straßsteine, Plastikbehälter aus dem mobilen Großstadtleben und bildhauerisch bearbeitetes Styropor werden zu narrativen Skulpturen montiert.
Dinge aus Plastik und Papier, die als verbraucht entsorgt wurden, erzählen fortan von Pop und Glamour. Das vermeintlich geschichtslose und entwertete Material wird zum Stoff für visionäre Erzählungen. Noch das unbedeutendste Utensil kann in Angstenbergers raumgreifenden Architekturen zum Fetisch werden. Es wächst und wuchert – vom kleinsten Detail in unüberschaubares Chaos. Wie im wirklichen Leben gibt es Wege in das Nirgendwo und Nischen der Meditation, dunkle Verliese und fröhliche Andachtsräume. Seine modellhaften Inszenierungen sind anarchische Alternativszenarios zur Gegenwart, in denen die Imagination frei schweifen kann.
Nándor Angstenberger geht es nicht darum, das heterogene Material im Kunstwerk zu vereinheitlichen, sondern darum, den entsorgten Gegenständen durch subversiven Gebrauch neue Würde zu verleihen. Er zielt mit seiner Arbeit auf die Umwertung und Aufwertung der gegenwärtigen Objektkultur. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Hochkultur und Pop, zwischen Konsument und Produzent. Die Hybris des Künstlers als Weltenbauers kollaboriert mit dem Wagemut des Träumers, die großartige Geste erlaubt sich eine lächerliche Konsequenz. Seine parodierende Formensprache, der trotzige Plan zur totalen Raumkonzeption und ein subtiles Spiel mit der Vergänglichkeit des Seins verknüpfen sein Werk auch mit ästhetischen Positionen der Kunstgeschichte, wie beispielsweise dem Barock.
Susanne Burmester